Abruzzen - Sept & Okt 2018 - Teil 2
Abruzzen
Die Abruzzen gehören nicht gerade zu den Weingebieten die einem spontan in den Kopf kommen wenn man an gute Weine denkt. Bis dato sind sie eher
durch Massenware und Supermarktwein bekannt. Wir hatten sie bis dato gar nicht auf dem Radar da es ja noch genug anderes auf dem Globus zu entdecken gibt.
Aber warum nicht mal abseits des Mainstream auf die Suche nach was Gutem gehen. Schaut man bei „1001Weine“ nach, findet man sogar 1 Abruzzen Vertreter: Montepulciano d´Abruzzo vom Weingut Franceso Paolo Valentini. Die Pulle wird mit rund 260€ angeboten. Das
macht uns dann aber doch neugierig.
Ok, also dann auf zu einem Weinwochenende in die Abruzzen.
Teil 1 verpasst? Dann hier: Teil 1
Teil 2: Abruzzen – die etwas andere Weintour
Schlemmen mit Familienanschluss, wandern in Felsspalten, und ein Versuch das unbekannte Abruzzen weintechnisch zu erschließen.... zumindest teilweise 😏
Für die nächsten zwei Tage schlagen wir unser Lager in Ortona auf: Torre della Loggia.
Erster Abend
Nach einem Rundgang durch Ortona ging´s zum Essen in eine Restaurant Empfehlung des Trip Advisor. Vicobonelli, ein nettes kleines Lokal im Zentrum von Ortona.
Was soll ich sagen, ich bin mal wieder meinem Drang nachgegangen etwas "anderes" zu probieren und das auf Italienisch. Wenn man also nicht weiß was man bestellt, kann es schon mal in die Hose
gehen. So war es dann auch. Ich war der Einzige am Tisch der mit Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch treffsicher danebengegriffen hat. Na ja ich bin satt geworden und alle hatten Spaß.
Bei der Weinempfehlung ging es dann leider ähnlich unglücklich weiter:
Torre dei Beati , Pecorino, Montepulciano d Abruzzo, 2016 (18€ im Restaurant, 9,90€ im Laden). Also die Weinprobe in den Abruzzen fängt an wie das erste Essen: Sparsam. Der Wein ist ok. Ihm fehlt Ausdruckskraft und Spaß. Pelzig. Der Montepulciano passte stilistisch mal zumindest zu meinem Essen 😏.
Bei der 2ten Flasche haben wir dann mal gleich einen Masciarelli probiert. Masciarelli, Villa Gemma, 2017 (17€ im Restaurant, 9,95€ im Laden). Fruchtig, leichter Weißwein. Pfirsich, lecker, easy drinking. 8.5. Der Villa Gemma stimmt uns dann doch noch versöhnlich. Leicht, süffig und mit intensiven Pfirsich Noten 😋.
Zum Abschluss ging's dann kurzerhand mit 4 ausgeliehenen Gläsern und einer 2ten Flasche Villa Gemma auf die Hotelterrasse. So kam der Abend dann auch für mich noch zu einem netten Abschluss .
Tag 1
Unser Termin um 11 Uhr auf der Tenuta Ulisse stand... so dachten wir zumindest.... alemannisch pünktlich waren wir 15min vor der Zeit vor Ort. Genug Zeit sich ein wenig die Landschaft anzuschauen, in die das Weingut eingebettet ist. Ulisse liegt in einer flach hügelig verlaufenden Region südwestlich von Ortona.
In der Tenuta war man dann doch einigermaßen überrascht von unserem Erscheinen. Typisch italienisch wusste niemand etwas von unserem Termin. Noch überraschter war man auf dem Weingut als klar wurde dass wir privat und nicht geschäftlich zur Weinprobe kamen.
Das Weingut ist zwar alt eingesessenen, vermarktet seine Weine aber erst seit 2006 selber. 4 Weine könnten wir verkosten und starteten mit einem Weißwein aus dem Sortiment.
Ulisse, Pecorino
Terre di Chieti IGP, 2017 (9,20€). Die Pecorino Traube ist die dominierende Trauben in der Region um Chieti. Die Trauben werden ab Ernte konsequent gekühlt, einer kalt Mazeration
unterzogen, bevor der Wein ausschließlich in Stainless Steel ausgebaut wird. Dadurch erhält daher seine tolle Frische. Intensive Pfirsichnase, etwas Zitrus und mit viel Phantasie auch etwas
Holunderblüte. Der Wein muss jung getrunken werden und kann max 2-3 Jahre liegen. Insg gefiel uns dieses Pecorino Exemplar deutlich besser als der Wein von gestern Abend. 9,4.
Weiter ging´s mit den Roten und als erstes mit dem einfachen Ulisse, Montepulciano d'Abruzzo DOP, 2016 (9,50€).
Wunderbare intensive Beerennase. Ausgebaut im Barrique dominieren Vanille und insb Tannin. Letzteres überdeckt geschmacklich auf Dauer die Fruchtnoten von Kirsche und etwas Blaubeere. Schade.
7,5.
Der Amaranta stand als nächstes auf dem Programm. Dies ist wohl der bekannteste Wein des Weinguts und ist bei zahlreichen Onlinehändlern verfügbar. Den 2014er Amaranta durften wir schon mal
verkosten (s. Die Roten – Italien).
Amaranta, Montepulciano d'Abruzzo DOP, 2015 (18,50€). Ausgebaut 12 Monate im
Barrique. Tief dunkles Rot im Glas. Anfangs dominiert der Alkohol in der Nase, wird aber nach wenigen Minuten abgelöst durch Beerennoten (Kirsche, Pflaume) und Vanille, gemischt mit etwas Kakao
und noch weniger Pfeffer. Weich und cremig. 9,0.
Zum krönenden Abschluss kamen wir dann noch in den Genuss des Ulisse, 10 Vendemmie, 2018 (29,90€). Eine ungewöhnliche Cuveé aus Fässern der 10 letzten Jahre Amaranta (multi
vintage blend). Der Wein wurde 2016 anlässlich des 10 jährigen Jubiläum zum ersten Mal aufgelegt. Der Wein ist somit eine Cuveé aus gereiften und frischen Weinen. Das Ergebnis ist ein irre
komplexer Wein, enorme Konzentration, super dicht und ein selten erlebter Facettenreichtum der sich von Dörrobst, wieder Pflaumen, Kaffee, Vanille, bis hin zu Karamell u.v.a erstreckt. Je länger
wir riechen umso mehr entdecken wir. Alle Noten sind in Nase und Mund so dominant präsent, wie wir es nur selten erlebt haben. Geil.
Für den ultimativen Test musste dann gleich noch 1 Kiste 10 Vendemmie mit uns reisen. 9,8.
Zum Mittag Essen ging’s dann wieder zur zurück an die Küste in´s Ristorante
Cavalluccio. Das Cavalluccio liegt an der Costa dei Trabocchi zwischen Vasto und Ortona. Bei den Trabocchi´s handelt es sich um Pfahlbauten die über einen Steg von der Küste zu
erreichen sind, ursprünglich zum Fischen erbaut, heute als Restaurants genutzt.
Das ist Urlaub pur. Frischer Fisch an der Ocean Front, leckerer Wein, der perfekte Ausblick aufs Meer und die Trabocchi .....eigentlich wollen wir hier gar nicht mehr weg.
Und zum Essen gab´s zwei Weiße. Den Cantina Frentana, Donna Greta, Pecorino, 2016 (14€ im Restaurant, 9€ im Shop). Der, ausschließlich
in Stainless ausgebauter Pecorino, schmeckt uns deutlich besser als die Variante von Gestern Abend. Er gehört zur Serie Le Selezioni, und somit zu den Top Produkten von Frentana. Toller Körper,
ausgewogene Mineralität, fruchtig, süffig, frisch, dezente Vanille. Ein perfekter Begleiter zu unserem frischen Fisch und auf unserer Tour der bis jetzt beste Pecorino. 9,4. Bezogen auf unser
Preis-Genuss-Verhältnis erhöhen wir auf 9,5.
Danach gönnten wir uns dann auch noch den Masciarelli, Marina Cvetic, Riserva, Trebbiano, 2016 (35€ Restaurant, 18€ im Shop). Dieser Wein war 12 Monate im Barrique und anschl noch 12 Monate in der Flasche, bevor er in den Verkauf kam. Insgesamt zeigt er deutlich weniger Frucht, ist dafür aber extrem cremig. Banane, maskulin, kein Frauenwein. Martin und ich mögen ihn aber. 9,5. Leider etwas zu teuer, daher nur 9,0.
Logischerweise kam ja noch der Abend und somit noch ein wenig Zeit für Wein 😋.
Als wir dem umtriebigen Wirt unserer Loggia am Abend vom Weingutsbesuch bei Ulisse berichteten und insb auch über den überzeugenden Eindruck des 10 Vendemmie, so war seine Reaktion doch eher verhalten. Nach einem lapidares „ok“ folgte der Hinweis: "My best wine is this one here" und zeigt uns den Eddizione Cinque Autoctoni No17 2014 von Fantini Farnese (40€ im Restaurant, 17,90€ im Shop). Also gönnten wir uns den Wein doch gleich mal im Restaurant Vecchio al Teatro in Ortona, in das und unser netter Vermieter auch gleich mit begleitete. So waren der Empfang und auch die Bedienung im Verlaufe des Abends sehr familiär und nett. Wir kamen in den Genuss eines exzellenten Menüs, bestehend aus 6 kleinen und vor allen Dingen sauleckeren Fischtapas, gefolgt von Spaghetti Vongole und gegrillten Thunfischsteaks zum Hauptgang. Lange nicht mehr so viel und so lecker gegessen 😋👍.
Und die Weinempfehlung?
Die Eddizione kommt vom Weingut Fantini Farnese (Ortona), welches zur Farnese Group gehört. Undurchsichtiges Granatrot. Sehr intensives Cassis und schwarze Jo-Beeren, kräutig und Kakao. Insg ist
die Eddizione nett, aber am Ende im Mund deutlich zu klebrig und zu wenig beerig. 9,3.
Unser Verdauungsspaziergang führte uns über die Uferpromenade des verschlafenen Ortona. Genau genommen haben wie uns gegenseitig nach Hause gerollt. Also musste auf der Terrasse vor unserem
Zimmer noch ein Absacker auf den Tisch: Der 10 Vendemmie von der Tenuta Ulisse. Und das Ergebnis war eindeutig: da war sie wieder die intensiven Beerennoten,
süffig und deutlich angenehmer als der Farnese !!! Die 9,8 steht stabil!
Tag 2:
Sucht man nach Weingütern in den Abruzzen, trifft man auf das Weingut Masciarelli als
eines der Ersten. Das ist nicht weiter verwunderlich, da es mit 400ha und einer Jahresproduktion von 3 Mio Flaschen auch das Größte in den Abruzzen ist. Masciarelli ist auch bei allen
einschlägigen Online Händlern vertreten. Entsprechend hoch waren also unsere Erwartungen.
Nach ca 1h Fahrt erreichen wir das Weingut eingebettet in den Hügeln vor dem Nationalpark Orientata Feudo Ungi. Wunderschön gelegen, umgeben von der ca 1500m hohen Gebirgskette. Das Meer ist
nicht weit. Also prinzipiell gute Voraussetzungen für guten Wein ..... Los ging es mit einer Wiederholung des ersten Abend:
Masciarelli, Villa Gemma Bianco, 2017 (9€). Der Wein reift im Stahlfass only. Fruchtig, leichter Weißwein. Pfirsich, lecker, easy drinking. Insg kommt die Cuveé aus Trebbiano, Cococciola und Pecorino doch etwas zu schwach rüber. Uns fehlt etwas Ausdruckskraft. Daher bleiben wir bei der bereits schon mal vergebenen 8,5.
Als nächstes nahmen wir uns den Masciarelli Montepulciano d'Abruzzo DOC 2016 (7€) zur Brust, oder besser gesagt zu den Geschmacksknospen. Eine Montepulciano Cuveé von 8 verschieden Anbaugebieten Masciarelli´s. Auch dieses Exemplar wird nur im Stahl ausgebaut und ist der " jeden Tag - easy drinking " Wein des Hauses. Die Cuveé ist uns insg deutlich zu herb. Die Fruchtnoten sind leider zu zurückhaltend.
Nach der Classic Line schwenkten wir rüber zur Style Line und dort zum Marina Cvetic Montepulciano d'Abruzzo DOC San Martino Riserva, 2015 (19,50€). Der Wein lagert 2 Jahre im Fass aus französischer Eiche und anschl noch 1 Jahr in der Flasche. Das Weingut verwendet ausschl neue Fässer, was sich in einer gewissen Härte aller fassausgebauten Weine widerspiegelt. Intensive Frucht (Schwarzkirschen, Pflaumen). Voluminöser Wein, der insg zu herb wirkt. Der herbe Eindruck geht nach einiger Zeit im Glas etwas zurück. 9,0.
Zum Abschluss konnten wir noch den Marina Cvetic, ISKRA, DOCG, 2015 (19€) testen. Es ist ein Einzellagen Wein von der Colline Teramane. Super dunkler und dichter Montepulciano d'Abruzzo. Der Wein ist sicherlich noch sehr jung und sollte noch mind 2-3 Jahre liegen. Extremes Tannin. Von Frucht (Blaubeeren) ist zum jetzigen Zeitpunkt leider kaum eine Spur. Wird die noch intensiver? Das weiß der liebe Gott. Auf Basis des aktuellen Eindrucks müssen wir eine 8,7 vergeben.
Leider blieb für unseren Geschmack die Gesamtqualität hinter unseren Erwartungen zurück. Wir durften in alle Produktlinien hinein riechen und schmecken. Insgesamt vermissen wir gerade auch im Vergleich zu Ulisse Ausdruckskraft, Gepaart mit Filigranität und natürlich in erster Linie die von uns immer favorisierten Beerennoten.
Den Top Wein des Weinguts - Villa Gemma Rosso Montepulciano d'Abruzzo Riserva, 2007 (45€) konnten wir leider nicht auf dem Weingut verkosten. Also kauften wir uns kurzerhand eine Flasche um diesen Teil der Probe am Abend auf unsere Terrasse nach zu holen.
Zur Entspannung stürzten wir uns zu Fuß in die Schlucht Gole di San Martino. Ja, es ist war, wir sind gewandert ….. na zumindest ein wenig durch die Felsspalten gelaufen … ungewöhnlich genug ! Völlig ausgehungert und erschöpft gab's Gott sei Dank im Ristorante Fuori Comune in Guardiagrelle einen Kleinigkeit zu beißen.... Und als Verdauungs-spaziergang, nicht nur wegen des Mittagessen, sondern auch wegen des insg doch etwas sparsamen Eindrucks von unserem letzten Weingut´s Besuch, kam uns das pittoreske Lanciano ganz gelegen.
In freudiger Hoffnung und auf der Suche nach dem Highlight des Tages freuten wir uns auf das Dinner am heutigen Abend. Auf Empfehlung unseres Vermieters - der uns am Vorabend bereits im Restaurant angekündigt hat – ging´s in die etwas abseits gelegene und von außen recht unscheinbare Küche Le Mattacinate von La Gallina Camminate. Ja genau, es ging quasi in die Küche. Das Restaurant ist klein und die Küche ist nur durch die große Theke vom Restaurant getrennt. Südländisch ging dann auch die komplette Kommunikation zwischen den fast nur einheimischen Gästen, den beiden kochenden Damen und dem Padron quer durch den Laden. Es gibt keine Karte sondern das Essen welches von der Chefin eigenständig zu bereit wird kommt in Schüsseln direkt auf den Tisch. Stolz erläutert uns der Patron dass wir heute Abend Zeuge eines 100% abruzzinischen Menüs werden. Der Wein kommt aus dem 10l Kanister in die vor uns stehenden Wassergläser und stellt den perfekten Durstlöscher zum dann folgenden grandiosen 6 Gang Menü. Hausmannskost vom Feinsten. Lange nicht mehr zu viel und lecker gegessen. Das sind die Abende an denen man eigentlich keine Lust hat nach Hause zu gehen, insb nachdem wir in die Konversation zwischen der einheimischen Kundschaft, dem Patron und den beiden kochenden und essenden Damen gnadenlos mit eingebunden wurden. Irgendwann geht dann leider doch auch der schönste Abend zu Ende.
Es sei denn man kennt Tricks selbigen doch nicht zu verlängern👍. Wir hatten da noch einen auf Lager !
Nach dem Festmal mussten wir uns nämlich noch dem ultimativen Vergleich der beiden Top Gewächse von Ulisse und Masciarelli hingeben: Villa Gemma Riserva vs 10 Vendemmie. Wo? Natürlich wieder auf unserer Terrasse. Diesmal mit Pulli und Jacke. Aber draußen lässt sich solch ein Abend dann doch besser genießen als auf dem Hotelzimmer. Villa Gemma Rosso Montepulciano d'Abruzzo Riserva, 2007 (45€). Der Wein reift 2 Jahre im großen Fass, 2 Jahre im kleinen Fass und dann noch 2 Jahre auf der Flasche. Tiefes dunkel Rot. Fast Schwarz. JoBeere, Dörrobst, Pfeffer. Im Vgl zum 10 Vendemmie in Nase und Mund viel zurückhaltender. Der 10V knallt einem mit allen Geschmacksnoten sofort und volle Pulle in Nase und Mund. Beim Villa Gemma Riserva ist nach über 10 Jahren das Tannin immer noch sehr dominant. Trotzdem ist er deutlich beeriger als alle anderen Masciarelli´s. Er für uns auf jeden Fall mit Abstand der beste Masciarelli ! 9,6. Allerdings werten wir wg des Preises etwas ab 9,4.
Das abschließende Fazit der Tour: Wir konnten die Weine zweier Weingüter intensiv und zusätzlich noch einige Weine von ein paar lokalen Empfehlungen testen. Weintechnisch
betrachtet sind die Abruzzen noch im Entwicklungsstadium. Potential ist auf jeden Fall vorhanden, was man an den vereinzelten Highlights erkennen kann. Das gilt in gleichem Maße auch für die Orte
der Abruzzen. Überall wird gebaut und restauriert. In ein paar Jahren werden wir anders urteilen.
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